Nordhausen
im Nationalsozialismus – Ein historischer Wegweiser

Die Nordhäuser Synagoge am Pferdemarkt wurde am 12. September 1845 eingeweiht. Mit dem benachbarten Gemeindehaus war sie das religiöse Zentrum der Nordhäuser Juden. 1933 zählte die fast 500 Mitglieder starke Gemeinde in Nordhausen nach Gera und Erfurt zu den größten in Thüringen. Jüdische Fabrikanten, Rechtsanwälte, Ärzte, Kaufleute und Künstler hatten einen großen Anteil an der wirtschaftlichen und kulturellen Entwicklung Nordhausens. Nach 1933 sahen sich die in Nordhausen lebenden Juden ihrer schrittweisen Entrechtung ausgesetzt. Durch Berufsverbote für jüdische Beamte, Ärzte und Juristen, den Boykott von Geschäften und erzwungene "Arisierungen" entzogen die Nationalsozialisten der jüdischen Bevölkerung nach und nach die materielle Lebensgrundlage.

Der erste Höhepunkt der Ausgrenzung und Verfolgung der Juden war die Pogromnacht vom 9. zum 10. November 1938. Während des Novemberpogroms zog der antisemitische Mob durch die Straßen Nordhausens und zerstörte jüdische Geschäfte und Wohnhäuser. Unter dem Ruf "Jetzt brennen wir den Judentempel ab" schändete man die Synagoge und setzte sie dann in Brand. Der anwesende Oberstaatsanwalt wies die zur Brandbekämpfung angerückte Nordhäuser Feuerwehr ausdrücklich an, die Löscharbeiten nicht auf die Synagoge, sondern auf die angrenzenden Gebäude zu konzentrieren. Am Morgen des 10. November war die Synagoge vollständig ausgebrannt. Die Ruine stand noch sieben Monate, bevor sie auf Anordnung der Stadtverwaltung restlos abgerissen wurde.

An den Standort der Synagoge und das Schicksal der Nordhäuser Juden erinnern seit 1988 ein Gedenkstein an der Ecke Pferdemarkt/Wolfstraße und eine Informationstafel im Innenhof der dort stehenden Wohnhäuser. In der Nähe des ehemaligen Standorts der Synagoge wurden zwei Stolpersteine verlegt. Sie erinnern an den Kantor der jüdischen Gemeinde, Kurt Singer, und seinen Vater Eduard, die in unmittelbarer Nachbarschaft zur Synagoge wohnten. Beide wurden in der Pogromnacht gewaltsam aus ihrer Wohnung getrieben und über den Siechenhof in das KZ Buchenwald deportiert. Vater und Sohn überlebten die Haft nicht. Schon wenige Tage nach der Ankunft in Buchenwald musste Kurt Singer mit ansehen, wie die SS seinen Vater grausam misshandelte. Er beging Selbstmord. Wenige Tage später, am 17. November 1938, starb auch Eduard Singer im KZ Buchenwald.